Auch wenn es den Eindruck macht: Die Entwicklung von Immobilienpreisen kennt nicht nur eine Richtung! Natürlich wissen dies alle Immobilienbesitzer*innen. Aber wenn ein Immobilienboom erst einmal einige Jahre dauert, geht dieses Wissen peu à peu verloren, bzw. entschwindet dem Bewusstsein. In vielen Fällen ist das nicht wichtig. Anders, wenn man darauf angewiesen ist, in Immobilien gebundenes Kapital zu einem bestimmten Zeitpunkt in reales Geld umzutauschen. Dann ist es wichtig den Tatsachen in die Augen zu schauen, den Markt zu beobachten und falls notwendig, rechtzeitig zu handeln. Andernfalls riskiert man, dass die Lebensplanung über den Haufen geworfen wird. Wir von pro55plus.ch wollen Ihnen das notwendige Basiswissen vermitteln, damit Sie in der Lage sind, die Lage besser zu beurteilen und ihre Planung entsprechend anzupassen. In diesem Beitrag, indem wir uns mit dem Einfluss der Zinsen auf die Immobilienpreise beschäftigen.

Immobilien – ein Spiegel der Zeit

Wenn man zum Beispiel eine Immobilie als Teil seiner Altersvorsorge betrachtet und sich mit dem Gedanken trägt, diese bei Bedarf zu veräussern, sollte man sich immer vor Augen halten, dass Immobilienpreise nicht in Stein gemeisselt sind. Genau wie Aktien und andere Wertpapiere, haben Immobilien einen schwankenden Kurswert. Wenn man Glück hat, liegt dieser zum Zeitpunkt des geplanten Verkaufes hoch. Genauso gut ist es jedoch möglich, dass der Kurs deutlich unter den gesteckten Erwartungen liegt.

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Preise von Immobilien steigen und sinken:

  • Der allgemeine Wohlstand steigt oder sinkt
  • Die Bevölkerungszahl wächst oder sinkt
  • Der Geldwert verändert sich
  • Fördermassnahmen des Staates sorgen für eine veränderten Nachfrage
  • Gesellschaftliche Trends
  • Veränderung des Anlageverhaltens von Privaten und Institutionen
  • Verknappung der bebaubaren Fläche
  • Durch steigende und sinkende Hypothekarzinsen

Wer mit dem Vermögenswert einer Immobilie rechnet – es also nicht ausschliesslich zu Wohnzwecken nutzen will – ist gut beraten, die Entwicklung dieser Faktor ständig im Auge zu behalten und mögliche Veränderungen in der Planung zu berücksichtigen.

In diesem Beitrag wollen wir den Einfluss der Zinsen auf die Immobilienpreise betrachten. Weshalb haben steigende oder sinkende Hypothekarzinsen (als Teil der allgemeinen Zinsentwicklung) überhaupt Auswirkung auf die Preise? Wie sieht dieser Einfluss konkret aus? Wie groß ist er und vor allem: wie kann man sich gegen negative Folgen schützen?

Teil 1

Woher kommt der Einfluss der Zinsen auf die Immobilienpreise?

Diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Weil die meisten Liegenschaften nicht bar bezahlt werden, sondern mit Hilfe von Hypothekarkrediten. Steigen die Kosten (Zinsen), verlieren Schulden an Attraktivität. Sinken sie hingegen, greifen die Leute deutlich lieber zu. Je größer die Nachfrage, desto mehr Käufer sind am Markt. Und wie wir alle wissen, bestimmt in der Marktwirtschaft die Nachfrage den Preis. Viel Nachfrage bedeutet also höhere Preise. Weniger Nachfrage führt entsprechend zu tieferen Preisen.

So gut, so falsch.

Natürlich stimmt das Prinzip von Angebot und Nachfrage schon. Allerdings ist die Wirkung in diesem Zusammenhang viel kleiner, als man vielleicht denken würde. Genau genommen erklärt es beinahe nichts im Zusammenhang mit den explosionsartig gestiegenen Immobilienpreisen der letzten Jahre. Denn Fakt ist: Nicht nur die Nachfrage ist gestiegen, sondern auch das Angebot. Wie aber kann es sein, dass wir auf der einen Seite einen Bauboom und einer damit verbundenen Ausweitung des Angebotes erleben, gleichzeitig aber die Immobilienpreise in die Höhe schiessen?

Wer nicht im Elfenbeinturm der Volkswirtschaftslehre sitzt, sondern den praktischen Umgang mit Konsumenten und Anlegern pflegt, weiss: Vom holzschnitzartigen Homo Oeconomicus, welcher scheinbar logisch und nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelt, sehen wir in der realen Welt praktisch nichts.

Zwar stimmt es, dass tiefe Zinsen dazu führen, dass sich mehr Menschen für Hypotheken interessieren. Vom damit verbundenen Vorteil – nämlich tiefere Finanzierungskosten – profitieren sie allerdings nicht. Zumindest sehr, sehr selten.

Wundersame Geldvermehrung

Dafür gibt es zwei Gründe. Der Erste ist, dass die Menschen ihre Investitionen nicht entsprechend ihres Bedarfes planen, sondern auf der Basis ihrer Möglichkeiten. Steht Ihnen zur Finanzierung (Zinsen, Unterhalt, Amortisation) zum Beispiel 30.000 Franken pro Jahr zur Verfügung, so wird dieser Betrag selbst dann ausgegeben, wenn inzwischen die Zinsen um die Hälfte gesunken sind. Was bedeutet dies?

Angenommen die Zinsen lagen bei 2% und sinken danach auf 1%. Theoretisch würde das bedeuten, dass sich die Zinslasten halbieren könnte. Wäre da nicht die Verlockung, sich für dasselbe Geld etwas Schickeres leisten zu können. Denn wenn man zuvor für 10.000 Franken eine Hypothek in Höhe von 500.000 Franken bezahlen konnte, lässt sich danach mit denselben Aufwand ein Kredit in Höhe von 1.000.000 finanzieren. Natürlich lässt sich das nicht 1:1 so darstellen, weil es noch andere limitierende Faktoren gibt (Tilgung, Eigenkapital, etc.). Aber im Grundsatz darf man darauf wetten, dass die Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden. Und das nahezu immer.

Wenn Immobilienkäufer zur Bank gehen, entscheidet die Tragbarkeit (das für die Hausfinanzierung verfügbare Einkommen) und das Eigenkapital über die Höhe der Hypothek. Sowohl das Eigenkapital, als auch das Einkommen dürfen als Konstante angesehen werden. Deshalb ist der Zinssatz die Variable, welche darüber entscheidet, wie hoch der Preis eines Hauses am Ende maximal sein kann.

Professionelle Immobilienhändler, Projektentwickler und Architekten kennen diesen Mechanismus. Deshalb steigen mit jeder neuen Zinsrunde parallel dazu die Preise ihrer Häuser. Wohlverstanden, ohne dass damit eine Leistungsverbesserung verbunden wäre. Konkret bedeutet dies, dass der größte Teil der Wertsteigerungen auf dem Immobilienmarkt der Bereitschaft und der Fähigkeit der Käufer zuzuschreiben ist, sich höher zu verschulden. Oder anders formuliert: Die aktuelle Immobilienpreise basieren auf Schulden.

Der Herr gibt’s, der Herr nimmt’s

Wenn die gestiegenen Immobilienpreise zu einem großen Teil dem Umstand geschuldet sind, dass die Zinsen in den letzten Jahren Schritt um Schritt gesunken sind, bis sie ein noch nie gekanntes Niveau erreicht haben.

Daraus ergeben sich für Immobilienbesitzer zwei wichtige Erkenntnisse. Zum einen kann es keine zinsbedingte Preissteigerung mehr geben, wenn die Zinsen schon am unteren Ende angelangt sind. Zum andern, führt eine allfällige Zinssteigerung zum umgekehrten Effekt. Da bei einem Zinssatz knapp über dem Nullpunkt selbst die kleinste Zinsänderung enorme Wirkung auf die Höhe der möglichen Hypotheken hat, wird beim Platzen der Immobilienblase der Einbruch rasant schnell erfolgen.

Die Sache mit der Tragbarkeit

Der Vollständigkeit halber sei noch der zweite Grund erwähnt, weshalb Immobilienkäufer nicht wirklich von den tiefen Zinsen profitieren: Die höhere Verschuldung mag zwar durch die tiefen Zinsen einfacher zu schultern sein. Dieser Vorteil wird aber durch den Nachteil ausgeglichen, dass diese Schulden auch wieder getilgt werden müssen. Der Aufwand für die Amortisation der Hypothek, wird leider allzu oft übersehen. Immerhin hat dieser Umstand den Vorteil, dass die Tragbarkeit (also die Fähigkeit Schuldzins, Unterhalt und Amortisation finanzieren zu können), die Höhe der Hypothek begrenzt und damit den Preisanstieg im Immobilienmarkt zumindest bremst.

Fazit

Der Einfluss der Zinsen auf die Immobilienpreise ist enorm. Allerdings wirken Zinsveränderungen weniger auf die Nachfrage nach Immobilien, denn auf die Fähigkeit und die Bereitschaft der Käufer, höhere Schulden aufzunehmen.

Weil durch tiefere Zinsen eine höhere Kaufkraft entsteht, können Projektentwickler, professionelle Immobilienhändler und Architekten höhere Preise durchsetzen. Der Preis für Immobilien steigt deshalb überproportional an.

Steigen die Zinsen jedoch, setzt der umgekehrte Prozess ein. Die Kaufkraft sinkt und es wird schwierig, das erreichte Zinsniveau zu halten.

Beide Effekte – also sowohl Preissteigerungen als auch der Verfall der Preise – fallen umso stärker aus, je tiefer das Zinsniveau ist. Der Grund: Selbst kleine Zinsschritte stellen prozentual eine große Veränderung dar. Beispiel: Steigerung von 1% auf 1,25%, bzw. 3% auf 3,25%.

Zinsänderungen sind schwer oder gar nicht vorauszusehen. Darauf zu reagieren ist nahezu unmöglich, weil die Veränderungen innerhalb Stunden eintreffen können. Der Verkauf einer Immobilie dauert jedoch selbst im günstigsten Fall Wochen.

Tipp

Mit dem Einfluss der Zinsen auf die Immobilienpreise müssen Sie wohl oder übel leben. Das gilt insbesondere bei selbstgenutzten Wohnimmobilien, weil hier der irrationale Faktor (der Wunsch etwas zu besitzen, koste es was es wolle) deutlich stärker ausgeprägt ist, wie bei Anlageobjekten und Gewerbeimmobilien. Einen Schutz gegen die Entwicklung am Markt gibt es in diesem Bereich nicht.

Damit Ihre persönliche Finanzplanung dadurch nicht aus dem Gleichgewicht gebracht wird, empfiehlt es sich, auf der einen Seite den Wert der eigenen Immobilie in der Planung nur sehr konservativ zu bewerten. Funktioniert das System auch mit einem tieferen Erlös, stehen Sie auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Fliesst Ihnen am Ende sogar mehr Geld zu, umso besser. Schwierig wird es allerdings, wenn es in die falsche Richtung läuft. In diesem Fall kann es durchaus sein, dass Sie aus Angst vor dem Verlust den Verkauf verzögern und Ihnen die Verluste (in Bezug auf die Erwartung) davonlaufen.

Auf der anderen Seite tun Sie gut daran, mit einem Verkauf nicht zu lange zu warten, sondern einen möglichen Gewinn auch tatsächlich zu realisieren. Dies ist insbesondere in den Fällen empfehlenswert, da die Immobilie als langfristiger Altersruhesitz nicht geeignet ist. Etwa, weil zu viele Treppen und Stufen vorhanden sind. Die Erfahrung zeigt, dass man selten zu früh dran ist, wenn es darum geht, sich das Leben zu erleichtern. Aber sehr häufig zu spät.